Frank A. Meyer: Deutschland, Deutschland

Written By Unknown on Minggu, 22 September 2013 | 17.03

Deutschland wählt. Und nichts passiert. Letzteres ist geradezu wohltuend. Die Nation, die noch vor achtzig Jahren Furcht und Elend über die Welt brachte, versetzt heute niemanden mehr in Aufregung – wer auch immer die Wahl zum 18. Deutschen Bundestag gewinnen mag.

Was aber heisst «nichts passiert»? Es passiert nichts, weil etwas geschieht: Demokratie in Deutschland. 

Die bedeutendste Wirtschaftsmacht Europas, auch global eine der mächtigsten Nationen, Exportweltmeister auf höchstem Technologie- und Produktions-niveau, ruht in sich selbst – eingebettet in eine gesicherte demokratische Kultur.

So selbstverständlich ist das nicht. Denn das deutsche Demokratiewunder entwickelte sich parallel zum deutschen Wirtschaftswunder, was es auch Demokratie-ungewohnten Deutschen leicht machte, die Demokratie als ihre Sache zu betrachten.

Die Wahlen diesen Sonntag dagegen finden erstmals unter wirtschaftlich misslichen Umständen statt – zwar nicht in Deutschland selbst, aber in Europa und damit eben doch auch in Deutschland, das sich dem Kontinent geistig und geldlich verpflichtet fühlt.

Deutschland ist wohl die europäischste aller EU-Nationen: grosszügig im Geben, gross­zügig im Verstehen. Angesichts der wirtschaftlichen Kalamitäten im Süden ist das nicht leicht. Die Staaten am Rand der Euro­päischen Union, von Portugal bis Griechenland, blicken nach Norden – auf die domi­nante Demokratie, die mit politischer Vernunft und sozialem Augenmass erfolgreich den Lauf der deutschen Dinge bestimmt.

Der Blick des Südens nach Norden ist einerseits voller Bewunderung, andererseits voller Misstrauen. Von den mächtigen Deutschen wird Solidarität erwartet. Gleichzeitig verwahrt man sich gegen ökonomische Diktate.

Deutschlands protestantisch gefärbtes Wirtschaftsmodell soll auf keinen Fall das katholisch gefärbte Lebensmodell ersetzen.

Ja, die Deutschen lernen gerade, dass die Ökonomie – gottlob! – an kulturelle Grenzen stösst. Aber auch das gehört zu Deutschland: die Bereitschaft zu lernen, von den Franzosen, den Italienern, den Portugiesen, den Spa­niern; sogar von den Griechen, die übrigens einst dem gebeutelten Nachkriegsdeutschland grosszügig Schulden erliessen, obwohl sie als deutsche Kriegsopfer ebenfalls arm waren.

Die Wahl des 22. September 2013 wird Berlin nicht umkrempeln, wird die Nachbarn nicht irritieren, wer auch immer die Regierung stellt: Die Parteien der deutschen Demokratie sind demokratische Parteien, und zwar bis hin zur «Linken», die sich aus der früheren DDR-Staatspartei SED entwickelt hat. Sie fordert auf ihren Wahlplakaten «10 Euro Mindestlohn», einen Euro fünfzig mehr als die SPD. Welch verblüffendes Bekenntnis zur sozialen Marktwirtschaft, zum Kapitalismus!

Und wenn es die erstmals antretende Partei Alternative für Deutschland (AfD) in den Bundestag schafft? Dann hat sich eben auch die deutsche Politik mit einer Blocher-Partei ausei-nanderzusetzen: wirtschaftlich rechts aussen, euro- und europafeindlich, rechtspopulistisch – ein Stück europäische Norma­lität.

Es ist wahr, dass sich Deutschland keine rechten Experimente leisten darf. Da sei die Vergangenheit vor. Sie vergeht nicht. Und die Deutschen lassen sie auch nicht vergehen: kein Tag ohne Debatten zur Vergangenheit in den Medien der Republik.

Das soll die Täternation Italien den Deutschen mal nachmachen, deren Führer Berlusconi mit der faschistischen Schreckensgeschichte kokettiert. Das soll Österreich mal nachmachen, das sich gerne als erstes Opfer Hitlers sieht. Das soll Frankreich mal nachmachen, das sich Vichy-vergessen immer wieder als Nation der Résistance inszeniert.

Wen schreckt Deutschland heute noch? Richtig: die Schweizer!

Deutsche in der Wirtschaft, an den Universitäten, in den Krankenhäusern, in den Medien. Da sind sie wieder, die Deutschen, wie wir sie nicht mögen: zielstrebig, fleissig, eloquent – Deutsche eben!

Und dann mögen sie zu allem Überfluss auch noch uns: ihr Sehnsuchtsland Schweiz! Was wir letztlich auch nicht mögen, weil wir auf Paternalismus mit republikanischem Trotz zu reagieren pflegen.

Die Schweiz erlernen, das ist der letzte Schliff, den sich die Deutschen noch geben müssen.

Doch was heisst «müssen»? Müssten! Denn unsere nördlichen Nachbarn werden daran scheitern, wie die übrige Welt. Wir sind nun einmal nicht erlernbar. Unbelehrbar sowieso.

Den Deutschen dürfen wir trotzdem gratu­lieren: zu ihrer gelebten und sicher verwur­zelten Demokratie.


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