Australien: Warum war der Geiselnehmer auf freiem Fuss?

Sydney – Nach dem blutigen Ende einer Geiselnahme in einem Café im australischen Sydney schweigt die Polizei nach wie vor zu den Umständen der Befreiungsaktion mit drei Toten. Zum getöteten Geiselnehmer sind aber weitere Details bekannt geworden.

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Australiens Regierungschef Tony Abbott beschrieb den Geiselnehmer am Dienstag als einen den Behörden bekannten kriminellen Extremisten, der «psychisch labil» gewesen sei. Der 50-jährige Geiselnehmer habe eine «lange Vergangenheit» gewalttätiger krimineller Taten und sei zudem «vernarrt» in Extremismus gewesen.

Als sich die Geiselnahme vom Montag allmählich entwickelt habe, habe der Mann versucht, seine Taten mit der «Symbolik des Todeskults» der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) zu untermauern, sagte der Premier. Unter anderem hatte der Mann seine Geiseln dazu gezwungen, eine islamische Flagge am Fenster hochzuhalten.

Für empörte Reaktionen sorgte auch die Nachricht, dass der Mann unter Kaution auf freiem Fuss war, weil er in die Tötung seiner Ex-Frau verwickelt sein soll. Es werde zu untersuchen sein, wie der Mann durch «die Maschen fallen» konnte, sagte der Justizminister des Gliedstaates New South Wales, Brad Hazzard, der australischen Nachrichtenagentur AAP.

Der Vorbestrafte, der sich selbst als muslimischer Geistlicher bezeichnete, brachte um ungefähr 10 Uhr am Montagvormittag (Ortszeit) in einem belebten Café am zentralen Martin Place 17 Menschen in seine Gewalt. Dort verschanzte er sich während 16 Stunden, während denen das Leben in Teilen von Sydneys Innenstadt praktisch zum Erliegen kam.

Zur Stürmung des Restaurants kam es nach 2 Uhr am frühen Dienstagmorgen, nachdem die vor dem Gebäude postierten Polizisten Schüsse im Innern des Cafés hörten. Die verantwortlichen Einsatzleiter seien der Meinung gewesen, dass es ohne Intervention mehr Tote hätte geben können.

Bei der Stürmung wurde der Geiselnehmer erschossen. Zwei Geiseln starben ebenfalls: eine dreifache Mutter und erfolgreiche Rechtsanwältin im Alter von 38 Jahren sowie der 34-jährige Manager des Lindt-Cafés.

Vier weitere Frauen sowie ein Polizist wurden ins Spital gebracht. Alle Verletzten sind ausser Lebensgefahr, wie die Polizei am Dienstagmittag mitteilte. Wie der Schweizer Generalkonsul in Sydney, Ernst Steinmann, auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda sagte, war unter den Geiseln niemand aus der Schweiz.

Abbott lobte die Polizei für ihren Einsatz. Die Australier könnten angesichts der Reaktion der Einsatzkräfte beruhigt sein, sagte er. Natürlich müssten aus der Geiselnahme «Lehren gezogen werden». Zuvor werde aber detailliert geprüft, was sich am Martin Place abgespielt habe und warum. Das allerdings könne einige Zeit dauern.

Der Schweizer Schokoladenhersteller Lindt & Sprüngli, in dessen Café sich das Drama abspielte, zeigte sich tief betroffen. Das Unternehmen werde den Opfern und deren Angehörigen jegliche Unterstützung zukommen lassen, hiess es in einer Mitteilung vom Firmenhauptsitz in Kilchberg ZH. Er sei «schockiert und zutiefst traurig», liess sich Konzernchef Ernst Tanner zitieren.

Am sonst so belebten Martin Place, wo für gewöhnlich täglich tausende Menschen in alle Richtungen in ihre Büros strömen, herrschte am Dienstag eine gedämpfte Stimmung. Hunderte Menschen legten Blumen nieder, zündeten Kerzen an und trugen sich in die Kondolenzbücher ein, die am Platz auslagen.

An Regierungsgebäuden und Sehenswürdigkeiten wehten die australischen Flaggen auf Halbmast. «Es ist so traurig», sagte eine Passantin der Nachrichtenagentur AFP. «Sie wollten sich nur einen Kaffee kaufen. Das hätte jeder hier sein können.»

Auch Vertreter der muslimischen Gemeinde kamen zu dem Platz. Noch während der Geiselnahme hatte es am Montag eine Internetaktion aus Solidarität mit der muslimischen Gemeinde gegeben. (SDA)